Erst geht das „Unkraut“, dann geht … alles andere!

Zu einem Wiesen- und Wissensspaziergang der besonderen Art trafen sich Mitglieder der Fraktion von Bündnis90/GRÜNE und Freund/innen der Partei am Samstag, 04.07.2020, mit Edith Everding vom Nabu (Naturschutzbund Deutschland) und Marie-Luise Bittner-Lorenz vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland). Hierbei wurden die bereits jetzt sichtbaren Auswirkungen der gezielten „Verwilderung“ von Grünflächen vor der neuen Kita an der Aue bestaunt und fachkundig erläutert. Neben der simplen Schönheit von „einfachen“ Gräsern und Kräutern, die viel zu oft und zu Unrecht als „Unkraut“ bezeichnet werden, war das Brummen, Krabbeln und Zirpen zahlreicher Insekten zu bewundern. Ob nun ein seltenes Exemplar des Pinselkäfers oder des Schachbrettfalters oder einfache Honigbiene oder Grashüpfer: Das Leben wimmelt wieder etwas mehr in der Aue. Und warum – es wird einfach nur weniger gemäht!

Ein gebänderter Pinselkäfer

Dass das Thema Stadtökologisierung zur DNA der Vellmarer GRÜNEN gehört, weiß jeder. Bereits zum Kommunalwahlkampf 2016 hatten wir uns deutlich zu diesem Thema positioniert und in unserem Programm diesem so wichtigen Zukunftsthema ein eigenes Kapitel gewidmet. Der „Stadtnaturschutz“ solle „integraler Bestandteil der Stadtplanung sein“ hieß es schon damals. Das gelte für die Entwicklung der Quartiere wie für die Lebensräume von Tieren und Pflanzen. Wir wollten schon vor knapp 5 Jahren, dass neben dem Ahnepark auch unbebaute Grundstücke, Brachflächen oder Rasenareale durch gezielte „Verwilderung“ zu naturnahen Räumen werden. Wildpflanzen aller Art brauchen diese „Inseln“, um sich frei entwickeln zu können, damit die Artenkette Pflanze, Insekten, Vögel geschützt wird. Die Entwicklung in der Aue gibt uns heute Recht.

Nicht zuletzt deshalb hatte die Fraktion Bündnis90/GRÜNE auch als einzige Kraft in der Stadtverordnetenversammlung geschlossen die weitere Versiegelung und den Verlust von wertvollem Ackerboden durch die Einrichtung des Baugebiets „Vellmar-Nord“ abgelehnt. Auch den darauf basierenden Folgeanträgen haben und werden wir nicht zustimmen. Wir halten es für eine weitere verpatzte Chance, Flächen einer ökologischen Nutzung zuzuführen, sei es als Naturraum oder für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Im Februar 2019 richteten wir als Stadtverband eine Zukunftswerkstatt ein, die das Thema Stadtökologisierung noch einmal in das öffentliche Bewusstsein brachte. Entsprechend wurde in die Juli Sitzung der Stadtverordneten ein Antrag von uns eingebracht, durch den der Magistrat beauftragt werden sollte, einen „insektenfreundlichen Mähplan“ für die von der Stadt gepflegten Ackerrandstreifen sowie weiterer geeigneter Grünflächen erstellen zu lassen. Die Einrichtung von Blühflächen zum Schutz von Pflanzen, Insekten und Kleinsäugern, folgte den Empfehlungen der Biodiversitätsstrategie des Hessischen Umweltministeriums und entsprach der Kampagne „Bienenfreundliches Hessen“. Aus dem Antrag wurde sodann —- nichts. Zunächst wurde er in den Umweltausschuss verwiesen und dann in der Dezember-Sitzung durch SPD und CDU abgelehnt.

Dass andere Kommunen da weiter sind als wir, zeigten in den letzten Jahren Beispiele aus Fuldatal, wo in Ihringshausen vor dem Waldschwimmbad durch den NABU (Naturschutzbund Deutschland) eine Blühwiese eingesät wurde, und Ahnatal, wo ein modernes Blühstreifenkonzept besteht.

Wir bleiben der Meinung, dass in puncto Stadtökologisierung unserer Kommune erheblicher Nachholbedarf besteht. Wir sind noch lange nicht da, wo wir stehen müssten und längst stehen könnten. Während wertvolles Ackerland am nördlichen Stadtrand zubetoniert wird und die Rathaussanierung täglich teurer wird, bewegt sich in Sachen Naturschutz zu wenig. Wir bleiben auch der Meinung, dass die falschen politischen Akzente gesetzt werden und wir drängender denn je eine umfassende Strategie für Stadtökologisierung in Vellmar brauchen. Die Entwicklung in der Aue kann nur ein zarter Anfang sein, denn geht das (Un)Kraut, geht mit der Zeit die Vielfalt des Lebens…

Zuerst veröffentlicht am 5. Juli 2020 um 22:05 Uhr unter www.gruene-vellmar.de

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